Löwensteinsche Pausa

Mechanische Weberei Pausa AG
Zur Geschichte der Löwenstein’schen Pausa 1919–1936

„Wir sind heute zusammengekommen, um das Andenken an Artur und Felix Löwenstein zu ehren, zwei schöpferische und fleißige Unternehmer. Unsere Väter waren maßgeblich an der Begründung der modernen Wirtschaft von Mössingen beteiligt. Harold und ich freuen uns, dass die Stadt heute blüht und gedeiht, und besonders darüber, dass die Stadtverwaltung und viele Mössinger Bürger die Leistungen der Brüder Löwenstein anerkennen und würdigen.“ (Doris Angel, Harold Livingston, 2009)

„Wir sind alle sehr erfreut, dass 75 Jahre nach der Vertreibung unserer Väter der Name Löwenstein ein Teil der Stadt Mössingen wird und schon teilweise ist.“ (Harold Livingston, 2011)

Im Jahr 1919 gründeten Flora und Artur Löwenstein sowie Helene und Felix Löwenstein das Unternehmen „Mechanische Weberei Pausa“. Sie hatten dafür die Mössinger Buntweberei-Niederlassung der jüdischen Familie Bernheim erworben. Zuvor hatten die Löwensteins den Versuch, ein Textilunternehmen am Ort Pausa im Vogtland aufzubauen, aufgegeben. Den Namen „Pausa“ nahmen die Löwensteins jedoch mit ins Steinlachtal nach Mössingen.

Für die Investitionen in den Standort Mössingen sprachen die Grundfläche und Gebäude in der damaligen Lehrgasse (heute Falltorstraße), die Qualifikationen und Kompetenzen der Belegschaft, die Geräte sowie die Lage an der wasserreichen Steinlach und insbesondere auch die Anbindung des Standortes an das Eisenbahnnetz. Die Löwensteins arbeiteten an zwei Orten: Der Verwaltungssitz des im Jahre 1923 zur Aktiengesellschaft umgewandelten Betriebes befand sich bis zum Ende der 1920er Jahre in Stuttgart. Mössingen war von Anfang an der Standort der Produktion. Angesichts der Folgen der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 entschieden die Löwensteins, auch den Verwaltungssitz an die Steinlach zu verlegen. Von da an hatten sie Wohnsitze in Stuttgart und in Mössingen.

Fabrikgebäude der Löwenstein’schen Pausa in Mössingen Mitte der 1920er Jahre. Stadtarchiv Mössingen

Die Löwensteins verbanden ihre Unternehmensstrategie mit den Ideen des ebenfalls im Jahr 1919 gegründeten Bauhauses: „Wir propagieren schon seit dem Jahr 1921 den modernen Stil, auch Bauhausstil genannt.“ Die Löwensteins gewannen die Bauhausschülerinnen Ljuba Monastirskaja, Lisbeth Oestreicher und Friedl Dicker für die Arbeit in der Pausa.

In den 1920er Jahren investierten die Löwensteins in neue Gebäude, neue Maschinen, neue Materialien und Patente. Bis zum Jahr 1929 verfolgte die Unternehmensleitung eine aktive Expansionsstrategie. 1925 entstand der Neubau an der Steinlach, der kurz darauf schon erweitert werden musste. 1928 wurden die Shedhallen als „Neue Fabrik“ eingeweiht. Beide Gebäude plante der Stuttgarter Architekt Richard Döcker, ein Vertreter des „Neuen Bauens“ und Mitgestalter der Weissenhof-Siedlung. Im Jahr 1989 wurden die alte Pausa und im Jahr 2007 die Shedhallen abgerissen.

Im Jahr 1933 schrieb Felix Löwenstein an die in Berlin herausgegebene Textilzeitung: „Die Fabrik ist in technischer Hinsicht durchaus vertikal aufgestellt. Weberei, Färberei, Druckerei, Mercerisier- und Ausrüstungsanstalt. Pausastoffe werden demnach vom rohen Faden an bis zum fensterfertigen Gewebe ausschließlich im eigenen Betrieb hergestellt. Die Firma hat als eine der ersten Industriefirmen der Branche den Wert der künstlerischen Durchdringung der formalen, farblichen und technischen Probleme erkannt und beschäftigt schon seit Jahren Textilkünstler von anerkanntem Ruf in ihren Betrieben. […] Infolge dieses Umstandes steht Pausa schon seit Jahren in geschmacklicher Hinsicht an führender Stelle. Pausa-Stoffe werden von den Fachleuten im In- und Ausland gleichermaßen geschätzt.“

Durch eine konzertierte Aktion von Gemeinderat, Bürgermeister, Sparkasse, Landrat, NS-Behörden und Unternehmern wurden die Löwensteins in den Jahren 1935/36 bedroht und erpresst, ihr Unternehmen unter Wert abzugeben. NS-Täter erzwangen die Enteignung und die Flucht. Es war ein antisemitisches Verbrechen und ein staatlich unterstützter Raub.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1951 bis 1961 neben den Shedhallen die neue Pausa mit Tonnenhalle, Bogenhalle, Verwaltungsgebäude, Kantine etc. errichtet. Zu den verantwortlichen Auftraggebern dieses vom Architekten Manfred Lehmbruck neu konzipierten Areals gehörten auch jene Täter, die 1949/50 von der Familie Löwenstein vor dem Landgericht Tübingen im Restitutionsverfahren erfolgreich verklagt wurden. Dieses Areal ist das heutige Pausa-Quartier in Mössingen.

Seit 2011 erinnert der Löwensteinplatz im Pausa-Quartier an die jüdische Gründerfamilie.